Ute Brade ist vielen als diejenige Keramikerin bekannt, die Schalen und Teller mit durchbrochenen Wandungen schuf. Aus den Löchern oder unregelmäßigen Rändern wurden immer größere Öffnungen. Von der Wandung blieben oft nur unregelmäßige, schmale Stege übrig, die die Form eher erahnen ließen als sie tatsächlich noch zu bilden. Neben den weiß glasierten Gefäßen dieser Art entstanden Teller in warmer, rötlicher Farbigkeit, denen die sichtbaren Spuren des Drehens ein kraftvoll bewegtes Moment verleihen. Diese Drehrillen lösen sich plötzlich in freie Formverläufe auf und erzeugen so einen landschaftsähnlichen Eindruck. Die uneindeutigen Formen erinnern an die Gischt eines stürmischen Meeres oder an die verschiedensten Arten von Wolken ebenso wie an Gebirgsmassive oder - darin ihrem Ursprung am nächsten kommend - an schlammige Massen verschiedener Konsistenz. Mit schwarzen und hellen Flächen kombiniert, rufen die verwendeten rotbraunen Farben Assoziationen von Rauch, Feuer, Erde und Licht hervor.
In ihren gegenwärtigen Arbeiten verfolgt Ute Brade zwei deutlich unterschiedene Tendenzen: abstrakte Malerei auf keramischen Bildträgern auf der einen Seite, konstruktive Plastik auf der anderen. Damit lotet sie für sich die unendlichen Möglichkeiten aus, die das Material bietet.
Großflächige Teller bildeten zumeist den Malgrund. Etwa zur gleichen Zeit entstanden zwei Arten von Dekoren, die sich bald miteinander verbinden sollten: Einige wenige Teller sind mit kreisförmigen, blütenartigen Gebilden bemalt, im Zentrum gehalten durch eine kräftige Linie, die gegenüberliegende Randbereiche miteinander verbindet.
Gleichzeitig, um 1998, entdeckte Ute Brade für sich das Sechseck als ein dem Teller besonders gut entsprechendes Ornament. Zentral wie der Teller selbst, ist es doch eine geometrische Form, deren Teilung in Segmente durch die Eckpunkte vorgegeben ist. In jedes der dabei entstehenden Dreiecke setzte sie einen Kreis, der zumeist alle Schenkel berührt, die Fläche also vollständig ausspannt. Die Künstlerin empfindet es immer wieder als eine interessante Aufgabe, mittels einfacher geometrischer Formen innerhalb einer Fläche Spannung zu erzeugen. Immer öfter und zunehmend stärker verschob Ute Brade das Sechseck aus der Tellermitte an den Rand, so dass nur noch ein Teil des Sechseckes sichtbar ist und die Kreise angeschnitten werden. Ausgehend von einem segmentierten Sechseck entwickelte sie einen Rapport, so dass sich die Dreiecke über die gesamte Tellerfläche erstrecken. Die geometrischen Formen werden von der Künstlerin mit lockerem Farbauftrag, der manchmal die darunterliegende Schicht durchscheinen lässt, bemalt. Einzelne dunkle Pinselstriche akzentuieren die Komposition. Es entstehen klare geometrische Muster von starkem malerischen Reiz: Abstrakte Malerei - nicht auf Leinwand oder Papier, sondern auf Tellern.
So handelte es sich um einen logischen und konsequenten Schritt, die Malerei nun auf planen Flächen fortzusetzen. Vor etwa drei Jahren begann Ute Brade Platten auszuwalzen. Damit bleibt sie dem von ihr gewählten Material Ton treu. Flache Tonplatten bilden in jüngster Zeit den Träger ihrer Malerei, als Einzelplatten, Paar bzw. Vierer- und Neunergruppen bilden sie immer größer werdende Flächen. Auf diesen werden Kreise angeordnet, die teilweise über zwei Platten reichen. Ute Brade entscheidet sich vor Arbeitsbeginn immer zwischen zwei Möglichkeiten von Farbtönen: Entweder ist die Arbeit in warmen Rot-,Ocker-, Brauntönen oder in kühlen grau-grünen bzw. hellgrau-hellgelben Tönen gehalten. Verwendet werden Engoben, zur Erzeugung der Grüntöne werden Pigmente beigemischt. Nur noch selten wirkt eine Glasur als glänzender oder schimmernder Akzent. Den Engoben mit ihrer Körperlichkeit ist ein sinnlicher Effekt eigen, um den sich mancher Maler müht, ihn durch pastosen Farbauftrag zu erzielen. Die Farbbehandlung läßt sich als Modulation fast im Sinne Cézannes beschreiben - als Variation von Farbwert und Faktur innerhalb einer einmal gewählten Tonigkeit, womit die Künstlerin Räumlichkeit jenseits traditioneller Malerei erreicht.
Die Malerei scheint das eigentlich Wesentliche dieser Arbeiten Ute Brades zu sein. Ihr Thema sind die Formen und die durch ihre Kombination erzeugten Spannungen. Ton bleibt das ultimative Ausdrucksmittel der Künstlerin, weil es ihr wesentlich mehr Möglichkeiten als herkömmliche Malerei bietet. Durch Ritzen und Schaben können Reliefstrukturen erzeugt werden, durch Mischen von verschiedenfarbigen Tonen die gewünschten Farben. Das Material lässt sich sowohl extrem dünn als auch in jeder beliebigen Dicke verarbeiten, bis aus den aufgetragenen Schichten möglicherweise selbst wieder Körper entstehen. Das alles wäre so oder ähnlich auch in der konventionellen Malerei möglich, Material und Brennvorgang verleihen den Arbeiten jedoch eine unvergleichliche Stofflichkeit - und eine Dauerhaftigkeit, die die der Malerei weit übertrifft.
Parallel zu diesen malerischen Arbeiten entstehen konstruktive Plastiken, von ihr „Türme“ genannt. Im Gegensatz zu den Platten und Tellern sind diese Körper zumeist nach Skizzen und Entwürfen gearbeitet, in denen sich die Künstlerin Klarheit über den Verlauf der Schnittflächen schafft. Seit 1994 arbeitet Ute Brade an diesen Türmen, die aus einzeln gedrehten Segmenten aufgebaut werden und nur in Ausnahmefällen mit Pigmenten eingerieben oder glasiert werden. Zumeist behalten sie die dem Ton eigene schlichte rotbraune Farbigkeit. Durch diese und ihre unglasierte Oberfläche erinnern sie an industrielle Halbfabrikate. Die Türme sind durch ihre strenge Form charakterisiert. Die Idee zu diesen Arbeiten entstand beim Anblick der verworfenen Reste von Gefäßen, die von ihr beim Arbeiten in einer Wanne gesammelt werden. Die Begeisterung für die fast nie sichtbare Innenansicht, die ihr ganz eigenen, absichtslos erzeugten Formen erweckte den Wunsch, diese gezielt zu entwickeln und sichtbar zu machen. So entstanden Türme, die nach dem Zusammenbau aus gedrehten Einzelteilen partiell aufgeschnitten werden und Einblick in ihr Inneres geben bzw. durch das teilweise Aufschneiden sich gegenüberliegender Seiten das Hindurchblicken gestatten. Die schräg aufgeschnittenen Körper vermitteln gleichzeitig einen flächigen und einen plastischen Eindruck und spielen mit den Kontrasten zwischen Hell und Dunkel. Die nur flach abgeschnittene Wandung ermöglicht den Blick in tiefe dunkle Räume, die stark abgeschnittenen Teile lassen dagegen nur noch die hintere Wandung mit den waagerechten Ansätzen der weggeschnittenen Böden übrig.
Die Türme beeindrucken durch ihre Tektonik, die verschiedene Assoziationen hervorruft: Gleichermaßen ist man an Architektur wie an Bauten der Natur erinnert. Die architektonischen Assoziationen umfassen dabei ebenso moderne, westlich geprägte Wolkenkratzer wie die Lehmbauten nordafrikanischer Völker oder - und hier schwankt der Eindruck zwischem Organischen und Anorganischen - die kunstvollen Bauten von Erdwespen oder Termiten. Aber auch Erinnerungen an das Innere von Schnecken oder an vergrößerte Querschnitte von Pflanzenteilen stellen sich ein. Ute Brade spielt mit den Assoziationen und erzeugt so eine Vieldeutigkeit, die komplexe Kunstwerke auszeichnet.
Die Parallelität der von ihr behandelten künstlerischen Aufgaben ist möglicherweise ein Nachklang der im Studium an der Burg Giebichenstein empfangenen Anregungen, die Ute Brade rückblickend in zwei Bereiche teilt: Die asiatische Keramik hat sie ebenso beeindruckt wie die konstruktiven Arbeiten des Bauhauses. Beide Richtungen haben ihren Reiz und ihre eigene Gültigkeit.