Kirschen, Birnen, Paprika - Fische, Kohlweißling, Drachen und ein Schwein - Sonne, Mond und Stern - eine Inselgruppe - die wohl dünnste Teekanne der Welt - Jagdtrophäen - ein Nudelteller mit Beilage, Desserts und Pralinen - freundliche kleine Damen, Körperteile - Papierstapel und eine Pistole. Es ist verwirrend.
Allmählich lässt sich Verbindendes und Trennendes entdecken: Die Verwendung von diversen Drucktechniken durch Antje Scharfe und Kordula Kuppe, von Intarsien bei Ursula Zänker und Renée Reichenbach. Die Freude an Farben bei Grita Götze und Judith Püschel. Die Liebe für das winzige Detail bei Marie-Luise Meyer und Judith Runge. Die Auseinandersetzung mit dem Gefäß steht neben dem Interesse an der menschlichen Figur bei Anja Sommer. Der spielerische Umgang mit dem Dekor bei Anne Viecenz und Christoph Schulz. Man könnte diese Suche fortsetzen. Insgesamt scheint eine Art Spielfreude vorherrschend zu sein.
Elf KeramikerInnen, die in Halle an der Burg Giebichenstein studiert haben, stellen gemeinsam aus und beeindrucken mit elf unverwechselbaren, einander ebenbürtigen künstlerischen Handschriften. Hallenser Keramik - so der Ausstellungstitel, obwohl vier von elf, also mehr als ein Drittel der TeilnehmerInnen nicht in Halle leben. Warum „Hallenser Keramik“? Einmal „Burg“ - immer „Burg“? Ist „Burg-Keramik“ als solche erkennbar? Gibt es überhaupt die „Burg-Keramik“?
Die Keramikklasse der Burg Giebichenstein gehörte immer schon zu den maßgeblichen in Deutschland, erinnert sei nur an die wegweisende Arbeit Marguerite Friedlaenders Anfang der 30er Jahre oder an die Gertraud Möhwalds, die „mit ihrer freien Auffassung, dem unkonventionellen Umgang mit den von ihr eingesetzten keramischen Mitteln sowie dem Vorstoß in neue Ikonographien ... das künstlerische Geschehen der freien Keramikklasse“ beeinflusste und eine Generation von KeramikerInnen prägte. Zu dieser gehört ANTJE SCHARFE, die seit 1994 als Professorin an der Burg Giebichenstein arbeitet. Sie vermittelt - so war wiederholt in Gesprächen zu hören - den StudentInnen einen spielerischen Ansatz, um die Charakteristika der verschiedenen keramischen Materialien durch Experimentieren auszuloten. In ihrer Arbeit „Das Kopulieren von Papieren“ imitiert sie mit dünnstem Knochenporzellan Blätter aus Papiers und schafft die perfekte Illusion, bis man sich irritiert fragt, woraus die Dinge gemacht sind. Dieser Umgang mit den Materialien verrät eine Haltung, die sich von jedem Purismus abgewandt hat. Nach jahrelangem Experimentieren mit den Möglichkeiten keramischer Techniken und Materialien entsteht nun Keramik jenseits der Keramik. Mit den Verfahren der Collage werden verschiedenste Mittel kombiniert: keramische, grafische, malerische, wobei häufig die Transparenz des Knochenporzellans genutzt wird, um die Wirkung zu steigern. Im Wechsel von Durch- und Gegenlicht entwickeln die Objekte eine Aura, die rätselhaft wirken kann – bis der Gesamteindruck ins Heitere umschlägt. Ihre Gefäße sind gleichzeitig plastische und flächige Objekte, die als Stillleben die Grenzen zur Malerei überschreiten.
Antje Scharfes Kunst offenbart eine große Lust, dem eigenen Spieltrieb zu folgen und auf der Basis ihrer Erfahrung eine Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten zu eröffnen, die kaum Grenzen zu kennen scheint.
In ihrer Eigenschaft, das Assoziationsvermögen anzuregen und mit Ambivalenzen zu spielen, erweisen sich Judith Runge und Marie-Luise Meyer ganz als ihre Studentinnen. Nachdem JUDITH RUNGE sich in den letzten Jahren mit gesellschaftlich relevanten Themen wie der Gentechnik auseinandersetzte, verspürt sie nun seit einiger Zeit den Wunsch, spielerisch mit Themen und Material zu umzugehen. Die filigrane Schönheit der stachligen Inselgruppe trifft auf die leise Ironie des Schweins. Ihm scheint es gut zu gehen. Und auch wenn ich nicht genau weiß, was die Künstlerin dazu veranlasst hat, so legen doch die jüngsten Schlagzeilen aus Bayern gewisse Assoziationen nahe. Judith Runges Arbeiten ist oft eine verhaltene Ambivalenz eigen: So können sich ihre schönen prallen Früchte auch schnell mal zu einer befremdlichen, höchstwahrscheinlich gen-manipulierten Sorte verwandeln. Das Spiel der Künstlerin bezieht sich manchmal auf den Ernst des Lebens. Dabei perfektioniert sie die Oberflächen ihrer Objekte, die oft von gleichmäßiger Monochromie, aber höchstem haptischen Reiz sind: glatt, perforiert, stachlig oder genoppt.
Die Besessenheit von einer Idee, die sich in der stoischen Produktion von Unmengen kleinster Teile ausdrückt, teilt sie ganz sicher mit MARIE-LUISE MEYER, die in ihren Gerichten durch das Aufeinandertreffen extremer Kontraste fasziniert: Die Schlachteplatte präsentiert auf einer schlichten Platte große, weichgeschwungene, matt-weiße und perfekt geglättete zoo-technomorphe Formen - ihre ureigene Formerfindung - gebettet auf eine Ansammlung winzig kleiner, vielfältig wimmelnder Teilchen, die bei weitem nicht so realistisch sind wie sie im ersten Moment erscheinen. Das geradezu unschuldige Weiß der großen Form kontrastiert mit den differenzierten Grün-, Braun- und Rottönen der Oliven, Erbsen, Nudeln und Würstchenstücke, wunderbar frisch gehalten durch die glänzende Soße, die der Manigfaltigkeit eine optische Einheit gibt. Obgleich von der Künstlerin nicht intendiert, stellen sich hier doch unweigerlich Assoziationen zur Zukunft der Lebensmittelindustrie ein und dem Versuch, der Natur ein perfektes Design zu verpassen. Es gehört zur Qualität eines Kunstwerkes, vieldeutiger zu sein, als beabsichtigt, was Marie-Luise Meyer mit der ambivalenten Schönheit ihrer weißen Formen gelingt.
Ironie und Romantik kennzeichnen die Arbeiten von JUDITH PÜSCHEL, subtile und über die Jahre dauernde Ironie. Man kann sich fragen, wie sich dies mit Romantik verbinden lässt. Ihre Ironie besteht teilweise darin, Wörter und Begriffe (gerade auch aus dem gesellschaftlichen Bereich) wörtlich in Keramik umzusetzen. Oder Gegenstände herzustellen, die aus ihrem Zusammenhang gerissen erscheinen. Hier präsentiert sie ein Objekt aus dem politisch neutralen Bereich, nämlich der Wohnkultur - einem klassischen Arbeitsfeld der Keramik. Die Jagdtrophäe, die sich in adligen Schlössern, großbürgerlichen Landsitzen und kleinbürgerlichen Wohnungen ebenso befindet wie in muffigen Gaststätten mit deutscher Küche, wird von Judith Püschel geradezu rehabilitiert. Im Rakubrand, der traditionsreichen japanischen Technik, hergestellt, entstehen genau die feinen Risse, die auch alten Knochen ihren grafischen Reiz verleihen. Judith Püschels Arbeiten offenbaren - jenseits der Ironie und vielleicht sogar primär - eine tiefe Verzauberung durch die Massenprodukte einer untergegangenen Kultur. Einer für damalige Verhältnisse bereits erschreckend-modernen Industriekultur, die - im Vergleich aber mit heutig-schnittigem Computerdesign und allseits edel-stahl-gebürsteten coolen Gebrauchsgegenständen - uns verstaubt, aber gemütlich und intakt vorkommt. - Ein Schein, der damals bereits schon trog.
Hauptcharakteristikum von GRITA GÖTZES prachtvollen und eleganten Deckelvasen und Tellern ist ihre zeitlose Schönheit und pralle Sinnlichkeit. Während sie manche Gefäßkörper vollständig mit floralen Motiven überzieht, ruhen ihre Früchte dieses Mal auf gemusterten Tüchern, die als Fond dienen und für die sie sich von chinesischen, persischen oder barocken, europäischen Motiven anregen lässt. Fast wie in der Lasurmalerei entstehen dabei räumliche Effekte, die den Früchten oft scheinbar greifbare Plastizität verleihen. Damit fügt Grita Götze der Bildgattung des Trompe-l’œil, der illusionistischen Malerei, ein keramisches Kapitel hinzu und macht die Anekdote vom griechischen Maler Zeuxis (Wende vom 5./4. Jh.v.u.Z.), dessen gemalte Weintrauben von Vögeln angepickt wurden, geradezu glaubhaft. Die gelb-roten Kirschen oder die grün-gelben Birnen werden die Zeiten und die damit einhergehenden Moden ebenso überdauern wie die Früchtestillleben des 17. Jahrhunderts (einer Hochzeit des Trompe-l’œil) , bei deren Anblick man noch heute meint, den Tau von den Trauben wischen zu müssen. Grita Götzes Anliegen ist die „bunte Frische“, die Früchte und Blüten mit der Keramik teilen: die üppige Farbigkeit, die Vielfalt der Formen und der Glanz. Mit ihrem Wunsch, die Schönheit der Natur darzustellen - sie so gleichsam verdoppelnd -, nimmt die Künstlerin bewusst eine im besten Sinne konservative Haltung ein, die sich gleichmütig über die vom Kunstmarkt favorisierten Trends hinwegsetzt und die ungebrochene Ausstrahlung eines Früchtestilllebens von Jan van Huysum (1682-1749), wie es auch im Schweriner Schloss zu sehen ist, in unser Jahrhundert rettet.
RENÉE REICHENBACH vereint in ihren Werken scheinbar mühelos den immer wieder beschworenen Gegensatz zwischen Gefäß und Plastik. Mühelos insoweit, als dass sie selbst keinen Widerspruch in diesen Dingen erkennen kann; Gefäß und Plastik sind bei ihr wie von selbst auseinander erwachsen, so selbstverständlich zusammengehörend wie in der Keramik alter Kulturen. Renée Reichenbach baut alle ihre Stücke aus Platten, die sie montiert und mit modellierten Teilen kombiniert. Auf den zur Fläche ausgewalzten Ton trägt sie - gleich einem Malgrund - eine dünne Schicht Ton auf, in den hauchdünn ausgewalzte Schnipsel eingefärbten Porzellans eingearbeitet werden. So entstehen auf der Tonplatte Flecken mit scharfen oder malerisch ausgefransten Rändern, zumeist Drei- oder Vierecken angenähert. Ritzlinien sorgen dafür, dass die Rhythmen bei aller Tonigkeit spannungsvoll und markant bleiben. Das Ergebnis ist eine Art Intarsienarbeit, die durch ihre feine Nuancierung der Farbtöne sowie die artifizielle, zurückhaltende Strukturierung der Oberflächen besticht. Die selbstkritische, von seltener Sensibilität begleitete Hinterfragung ihrer Arbeit verwandelt sich letztlich in die besondere Ausstrahlung ihrer klassisch anmutenden Werke.
KORDULA KUPPE präsentiert zwei Pole ihrer Arbeit: Surreale, barock übersteigerte Porzellanfiguren und industriell hergestellte Fliesen, die von ihr mit Siebdruck dekoriert werden. Die Bildmotive aus aktuellen Tageszeitungen lassen manchmal ansatzweise noch konkrete Persönlichkeiten oder Gegenstände wie das ausgebrannte Auto in einer französischen Vorstadt erkennen. Aber schon das Stellrad einer Pipeline ist als solches kaum noch erkennbar. Die verfremdeten, gedrehten, sich überlagernden Fotos verschwimmen zu einem Dekor, der keine politische Aussage mehr beinhaltet. Die Künstlerin verwandelt den ohnehin fragwürdigen Informationswert in einen ästhetischen. Was als Muster, als Abdruck eines Bildes, gedreht oder spiegelbildlich aneinandergesetzt, einfach begann, wurde von Kordula Kuppe zunehmend modifiziert. Nicht nur werden jetzt unterschiedliche Motive und Farben innerhalb eines Tableaus zur Rhythmisierung desselben verwendet, sondern sie werden zusätzlich durch Übermalen, Wischen oder Drucken bearbeitet, so dass eine collage-artige Fläche von malerischem Reiz entsteht, in der das Detailfoto allmählich verschwindet. Ähnlich mag die tägliche Überflutung mit Nachrichten und Bildern auf die Konsumenten wirken: Es fällt schwer, das Einzelne noch zu erkennen.
Die Arbeiten von ANJA SOMMER haben ein Hauptthema, dem der Betrachter bei allem Interesse für die monumentale Form oder die subtile Farbigkeit nicht entfliehen kann: Gemeint ist der Körper des Menschen als Ausdruck seiner Seele. Dieser Ausdruck drängt sich auf, springt einen an, ist unübersehbar. Der Gedanke, dass die äußere Form des Menschen, sein Gesichtsausdruck, seine Körperhaltung etwas von seinem inneren Wesen zeigt, ist alt - mit seiner wissenschaftlichen Auswertung sind Namen wie Johann Caspar Lavater, Charles Darwin oder Ludwig Klages verknüpft. Die Künstlerin aber geht einen anderen Weg. Sie findet Bilder, monumentale plastische Bilder, die das, was ein menschlicher Körper von seiner Seele zeigt, den Sehkonventionen zum Trotz bloßlegt, es steigert und in eine neue Figur überführt. Es sind fast ausschließlich Einzelwesen, Herrschende etwa, die, in ihre Machtfülle verstrickt, einsam bleiben; Verzweifelte, die gegen das Nichts klagen, Trauernde und in ihrem Körper Gefangene. Diese existenziellen Stoffe werden mit großem Formbewusstsein bewältigt. Sie gewinnen die Qualität von einprägsamen Zeichen. Damit korrespondiert eine malerische Behandlung der Oberflächen, die in breiten Engobe-Pinselstrichen, mit Ritzungen und farbigen Glasuren die Körperlichkeit noch erhöht und ihnen unheimliche Präsenz verleiht. Anja Sommer sieht ihre Arbeiten als Ausschnitte, als „Stills“ eines Films. Vor diesem Hintergrund wird auch ihre Arbeit an Skulpturen-Serien verständlich - oder an Trickfilmen. Obgleich Anja Sommer der Ton als Material wichtig bleibt, haben ihre Arbeiten die Keramik im engeren Sinn längst hinter sich gelassen zugunsten der freien Skulptur.
CHISTOPH SCHULZ’ Spezialität ist offenbar die besondere, plastische und farbige Behandlung der Oberfläche: Die Außenseite seiner dekorativen Objekte wird meist mit einem dichten Relief geprägter Muster überzogen. Der Künstler verwendet dazu eigens hergestellte Gipsstempel sowie alle möglichen Strukturen, die er an Gegenständen der industriellen Massenkultur findet, und die ihm für sein Vorhaben geeignet erscheinen. So entsteht eine anregende Mischung aus eigenen und fremden, vorgefundenen Formen, die in weiteren Arbeitsschritten mit Engoben und Glasuren versehen werden. Teils folgen diese Färbungen den plastischen Formverläufen, teils überziehen sie unabhängig vom Relief große Flächen. Durch partielles Auswaschen erzielt der Künstler ähnlich wie beim Aquarell weiche Flächenbegrenzungen und feinste Übergänge und Nuancen. Christoph Schulz gelingen so Transparenzeffekte, die mitunter an submarine Welten denken lassen und einen Gutteil der dekorativen Wirkung seiner Wandplatten und Bodenobjekte ausmachen. Diese Qualitäten prädestinieren ihn geradezu für architekturbezogenen Arbeiten - wie sie auch tatsächlich seit Mitte der 80er Jahre in Halle, Chemnitz und anderen Städten entstanden sind.
URSULA ZÄNKER, die ebenfalls oft baubezogen arbeitet, zeigt in dieser Ausstellung kraftvoll geschwungene Gefäße, die aus montierten Platten gebaut sind. Die Bodenplatte berührt nur an zwei oder drei Punkten den Boden. Dadurch und durch die asymmetrisch ausschwingenden Seiten erhalten die Gefäße große Lebendigkeit, die sie mit ihrer Erzeugerin teilen/ gemeinsam haben. Sie wirken wie kräftig Ausschreitende. Jede hat eine eigene Persönlichkeit. Die großflächigen Vorder- und Rückseiten bieten Platz für den Dekor. Die Grate der zusammengesetzten Platten bilden die Rahmen für verschiedene Farben: zarte Abstufungen von Hellgelb und Grau, diverse Ockertöne bis zu Rotbraun, kontrastieren mit einem zarten Blau. Runde Stempel verschiedener Größe werden in die nasse Engobe gedrückt. Beim Anheben ziehen sie Teile derselben zu feinen Gerinnseln, Blattadern gleich, zusammen, die partiell durch das Einreiben von Pigmenten noch betont werden. Die Gefäße wirken wie von Blättern bedeckt und sind ein weiterer Ausdruck von Ursula Zänkers Liebe zur Natur und zum Dekor. Daneben stehen die für den Außenraum gedachten Objekte „Sonne, Mond und Stern“, die ebenfalls aus gedrehten und aufgeschnittenen Zylindern montiert und in die feingemusterte Intarsien eingelegt wurden - eine von der Künstlerin bevorzugt genutzte Technik. Ursula Zänker vereint in ihren oft von der Natur angeregten Arbeiten zurückhaltende Farben mit energisch-kräftigen Formen.
ANNE VIECENZ gehört zu denen, die den Spagat zwischen Gebrauchskeramik und freier Gestaltung versuchen. So enstehen in ihrer Werkstatt Tassen, Kannen und Schalen, aber auch Objekte, die wohl immer noch von Ferne an vertraute Geschirrformen erinnern, aber als freie plastischen Arbeiten Verwendung finden. Es versteht sich, daß bei solcherart Vorgehensweise die Grenzen zwischen beiden Bereichen fließend werden. Die Qualitäten Viecenz’scher Dekore finden sich an gebrauchskeramischen wie freien Arbeiten gleichermaßen. Immer spürt man die Lust der Künstlerin am Experimentieren mit neuen Oberflächentechniken und an den kleinen, belebenden Unregelmäßigkeiten, die die Handarbeit kennzeichnen. Die Bemalung ihrer Keramiken antwortet immer auf die Form: entweder einfühlend, oder kontrastierend. Einen starken Gegensatz bilden etwa die schwarzweißen Karos der Fußschalen zu ihrer geschwungenen, barocken Form. Eckiges steht gegen Geschwungenes. Die Anordnung der Karos suggeriert ein flächiges Gebilde, während die Schale selbst an einen bauchigen Schiffsrumpf erinnert, dessen Bug und Heck in Voluten auslaufen. Anne Viecenz’ Stücke spielen mit Kontrasten wie spitz und rund oder gerade und krumm. Die gelungensten von ihnen verströmen eine stille, ansteckende Heiterkeit.
Was ist „Burg-Keramik“? Ein Student der Keramik schrieb mir von einer „künstlerischen Globalisierung“, bei der lokale Eigenheiten an Bedeutung verlieren. Die scheinbar grenzenlose Erweiterung der Möglichkeiten von Keramik sind Chance und Risiko zugleich. An der künstlerischen Handschrift allein lässt sich „Burg-Keramik“ nicht mehr erkennen. Ihre Stärke besteht ganz grundlegend in der Fixierung auf das keramische Material mit seinen unendlichen Möglichkeiten, die es auszuloten gilt. Es ist das Verdienst der „Hallenser Keramik“, deren Konzentration auf das Material fälschlicherweise als Traditionalität ausgelegt werden könnte, dass die Tradition nie einen Stil, sondern ein auf Erfahrungen basierendes Gefühl für Qualität beinhaltet.