Obwohl ich selbst Dozentin im Rahmen des Projekts „Gestalter im Handwerk“ bin, das hier im Künstlerhaus 188 beheimatet ist, beobachte ich doch eher als Außenstehende die Entwicklung des Hauses. Tatsächlich habe ich ja auch beruflich als auch räumlich genug Abstand, um sachlich die Situation einzuschätzen, wirklich unbeeinflusst von den kurzlebigen Aufregungen der einheimischen Tagespresse oder irgendwelchen persönlichen Befindlichkeiten hier in der Stadt. Und ich beobachte mit Respekt, wie das Künstlerhaus, getragen vom gleichnamigen Verein, nach neuen Zielen strebt. In einer Gesellschaft, die zwar permanent die Kreativität beschwört, aber sie natürlich am liebsten immer gerne kostenlos hätte. Der Verein hat meines Erachtens nach eine Idee, man kann es auch hochtrabender eine Vision nennen, wohin man als Künstlerhaus kommen möchte, ein Ziel, welches man anstrebt und hält an dieser Idee mit beachtlicher Beharrlichkeit fest.
Nach diversen Auseinandersetzungen, Auf und Ab, sind wir heute hier in diesem Haus mit seiner Geschichte, seinen Vor- und Nachteilen. Allein das ist schon ein Erfolg. Und weil der Verein hier ist, wird heute diese Ausstellung eröffnet, die im Rahmen der Möglichkeiten die Künstlerinnen, Künstler und Vereine, welche hier im Haus ansässig sind, kurz vorstellt und Bilanz über das Erreichte ziehen möchte.
Es ist immer leicht, Kritik zu üben. Aber es ist immer schwerer, erst mal was auf die Beine zu stellen. Alle, die selbst kreativ tätig sind – malend, schreibend, musizierend wie auch immer – wissen, dass oft die erste Zeile, der erste Strich am schwersten sind. Später, wenn man etwas hat, auf dem man aufbauen kann, ein Motiv, das man weiterentwickeln kann, wird es leichter. Dirk Neumann, Grafiker und Mitarbeiter des Grundlagenstudiums an der Burg Giebichenstein ist ein für die Ausbildung der Gestalter im Handwerk maßgeblicher Dozent. Er hat sich mit großer Offenheit die Mühe gemacht, eine Auswahl zu treffen und ermöglicht uns so einen Einblick in die Aktivitäten dieses Hauses. Er sieht – bei aller Verschiedenheit – auch das Verbindende der Arbeiten. Da gibt es plötzlich thematische Bezüge: Landschaften oder Figuren, die unterwegs sind, Strukturen, Durchblicke sowohl in der grafischen als auch der räumlichen Gestaltung. Wir lernen verschiedene Handschriften kennen, mehrere Materialien sowieso und erahnen die Vielfalt der uns zur Verfügung stehenden Ausdrucksmöglichkeiten, die ja nicht nur die Bildende Künste, sondern auch die Musik und die Schriftstellerei umfassen, die hier durch Publikationen dokumentiert werden.
Es ist an dieser Stelle nicht anders möglich, als nur einmal kurz durch den Raum zu streifen, in der Hoffnung, dass Sie sich die Zeit nehmen, die vielen Details, Schönheiten, Assoziationen, welche die ausgestellten Werke bergen, zu entdecken. Ich kann in diesem Rahmen nicht den Künstlerinnen & Künstlern gerecht werden, sondern möchte einfach nur mit wenigen Worten Ihre Neugierde wecken.
Ondine Frochaux, die bei Otto Möhwald Malerei / Grafik studierte, zieht uns mit einigen ihrer Holzschnitte in den Bann. Allesamt im Handabzug entstanden muten sie in ihrer klaren Aufteilung der Fläche in weiße, schwarze und grau wirkende Bereiche fast schon musikalisch in ihrer Ästhetik an. Erst beim näheren Hinsehen erkennt man Details und das vexierbildartige Spiel der schwarzen und weißen Formen.
Die organischen Glasformen „Symbiose I & II“ von Christiane Budig, die Glas / Malerei / Grafik in Halle studierte, changieren zwischen Botanischem und Zoologischen. Das zartkalte Blau der einzelnen Glasplatten wird von kupfernem Draht zusammengehalten, der die Formen mit seiner warm-farbigen Struktur durchzieht. Die Stücke leben vom Kontrast harten Materials und weicher Form. Ihre Grazien nehmen Verbindung mit den Figuren des Bildhauers Philipp Liehr auf. Sein Ironman und die Lady in white, die Frau mit dem Hündchen (Gassi) und die beiden Protagonisten von „Da lang“ bezeugen nicht nur seine genaue Beobachtung menschlicher Verhaltensweisen, sondern seinen Witz. Diese Kombination ermöglicht ihm eine Zuspitzung der dargestellten Situationen auf den Kern des Geschehens. Diese inhaltliche Konzentration findet ihre Entsprechung im Format der Miniatur.
Wie anders dagegen die Holzskulpturen von Jan Thomas, auch er ein Dozent im Projekt „Gestalter im Handwerk“, mit dem ihn aber doch das Material und die Technik verbinden. Die starke Präsenz dieser Mischwesen hinterlässt durchaus ein etwas mulmiges Gefühl, die raue Oberfläche der Skulpturen scheint ihrem vermutlich auch ruppigen Wesen zu entsprechen. Gleichzeitig haben die Figuren etwas Magisches wie Fetischskulpturen, die oft gute und böse Eigenschaften gleichermaßen in sich vereinen.
In großem Kontrast dazu stehen die Arbeiten von Thomas Haufe, eines technisch ambitionierten Künstlers, der mit seinen zusammengeklammerten Disketten eine Pyramide (Cheops) und einen Turm (Babel) baut. Er schafft Durchbrüche, Strukturen, die von Lichtreflexen belebt werden, scheinbare Festigkeit, die in sich aber leicht und beweglich und dadurch eben doch stabil ist. Dabei ist dem Betrachter bewusst, dass alle Disketten Texte enthalten könnten, die er jedoch nicht lesen kann.
Der Maler Thomas Schindler studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Seine zwei hier gezeigten Gemälde strotzen vor Kraft und setzen die menschliche Figur großformatig in Szene. Die Dargestellten scheitern offensichtlich mit ihren Flugversuchen, aber zum Glück hat der moderne Ikarus einen Rettungsschirm dabei und überlebt. Das nimmt natürlich der antiken Geschichte die große Tragik. Andererseits: Wenn man existenziell-schwierige Situationen überlebt, muss man sich der Herausforderung des Weitermachens stellen.
Frank Krüger, der in München studierte, führt uns mit seiner Landschaft ins Weite: die ruhige Schönheit seiner Landschaften, von denen eine hier ausgestellt ist, wirkt meditativ und führt ein fast schon paradiesisches Ideal vor Augen, vielleicht weil sie menschenleer ist und somit konfliktfrei ist. Ein Zustand, nach dem sich viele Stadtbewohner sehnen.
Die Zeichnungen des Malers und Grafikers Steffen Christophel ziehen den Betrachter unweigerlich in den Bann, weil das subtile Netzwerk der Linien nicht sofort alle Geheimnisse des Bildes verrät. Wenn man alles genau erkennen möchte, muss man sich Zeit nehmen und in seine Zeichnungen einsehen. Schön finde ich, dass eines seiner Porträts einen Mann würdigt, der viele Künstlerinnen und Künstler in Halle geprägt hat, nämlich den 2010 verstorbenen Martin Schmidt, der jahrzehntelang einen Mal- und Zeichenzirkel leitete. Seit 1962 am Jägerplatz, wo er auch in den 80er Jahren noch vier Mal wöchentlich allen Kunstinteressierten offenstand und seit 1990 dann tatsächlich hier im Künstlerhaus 188. Sein Zirkel war weit über den konkreten Kunstunterricht hinaus ein intellektueller Freiraum, der einem Welten eröffnete. Das zeigt, welches geistige Potential in Kunst steckt und wie wichtig Begegnungsplätze für Kunstschaffende sind. Die Ateliergemeinschaft Gerhard Schwarz gibt es seit fast 50 Jahren! Gerhard Schwarz, der an der Burg Giebichenstein Malerei und Grafik studierte und lehrte, verkörpert mit seinem kontemplativen Werk große Authentizität - und das seit DDR-Zeiten. Ein zurückhaltender Könner, der die Schönheit von Landschaften ebenso wie den problematischen Reiz technischer Anlagen in seinen Gemälden und Papierarbeiten erfasst.
Jedes Mitglied seiner Ateliergemeinschaft ist mit jeweils einem Bild, einer Zeichnung vertreten und steht noch einmal für einen ganz anderen Aspekt, der für die Kunst aber enorm wichtig ist. Zeichnen ist eine bildnerische Tätigkeit, die seit Jahrhunderten auch von Nichtkünstlern ausgeübt wurde. Sie schult die eigene Beobachtungsgabe und vertieft das Verständnis für die sichtbare Welt ebenso wie für die Kunst. Jeder, der mal ernsthaft gezeichnet hat, weiß eine spannungsvolle Linie zu schätzen und weiß auch, wieviel Können in der Leichtigkeit eines Kunstwerks steckt. Zeichnen gehört zu jeder Ausbildung eines künstlerischen Berufs, es ist die Basis. Und ich finde es oft bemerkenswert, zu welcher Qualität man es mit guter Anleitung und viel Übung als Autodidakt bringen kann. Es gehört mit zu den schönsten Dingen, finde ich, die man machen kann. Zeichnen wird es immer geben – egal, wie viele kurzfristige Trends gerade mal wieder gehypt werden. (umhäkeln von Parkbänken usw.) Zeichnen ist – wie jede künstlerische Tätigkeit, wie musizieren und schreiben – schlichtweg bewusstseinserweiternd. Ein qualitativer Unterschied zu diversen trendigen Beschäftigungen, die einfach nur ganz allgemein Leben und Umwelt verschnickeln. Das Lesen eines guten Buchs ist natürlich auch bewusstseinserweiternd, aber wie schön, wenn man selbst aktiv wird. Und schreiben, glaube ich, fällt da schwerer als erst mal mit malen und zeichnen zu beginnen.
Mit Claudia Baugut und Cornelia Weihe sind hier zwei Hallenser Künstlerinnen vertreten, die seit Jahrzehnten als eigenwillige Persönlichkeiten mit unverwechselbarer Handschrift die Kunstlandschaft prägen. Beide studierten an der Burg Giebichenstein, Cornelia Weihe unterrichtet hier auch. Beide verfolgen konsequent immer eigene künstlerisch ambitionierte Projekte. Claudia Baugut, Dozentin in der Ausbildung „Gestalter im Handwerk“, entwirft und baut Schmuck – nur bedingt kleine, auf jeden Fall aber transportable Kunstwerke. Neben ihrem anlässlich eines internationalen Schmuckwettbewerbs nominierten Hals- und Ohrschmucks für Cranach, der die Renaissance in die Moderne überträgt, zeigt sie einige Orden für vergessene Tugenden: strenge, geometrische Formen spielen alle gestalterischen Möglichkeiten, die man im dreidimensionalen Bereich hat, durch. Ihre Unikate zeigen einmal mehr, dass Repräsentation, eine traditionelle Aufgabe von Kunst, auch in der Gegenwart hochaktuell ist. Cornelia Weihe widmet sich als Malerin und als Metallbildhauerin, eine für Künstlerinnen sehr seltene Kombination, konsequent seit vielen Jahren der menschlichen Figur. In ihren filigranen Arbeiten gehen Farbflächen und Linien eine einzigartige Verbindung ein. Die Linien auf Papier als auch die Stahlstäbe bündeln sich und bilden Formen, die das Verletzliche der menschlichen Existenz betonen. Seit Jahren verfolge ich ihre Arbeit mit großem Respekt davor, dass sie sich an keine dem Verkauf förderlichen Moden anpasst. Cornelia Weihe arbeitet unbeirrt an dem weiter, was als richtig für sich erkannt hat und ist deshalb für mich eine der integersten Künstlerinnen, die ich kenne.
Wir sind alle „Wanderer“ – so der Titel der Arbeit von Cornelia Weihe. Wenn man offen ist, gibt es immer Neues zu entdecken. Von jedem Menschen, dem wir begegnen, lernt man. Von Kunstwerken, die uns berühren, egal welcher Art, bleibt etwas zurück. Ich selbst bin viel unterwegs und beobachte mit fast schon ethnologischem Interesse die Menschen, denen ich begegne. Mit Sicherheit werde ich beim nächsten Aufenthalt auf dem Mailänder Flughafen, dem Bahnhof in Venedig oder einfach nur auf einer schönen italienischen Piazza wie zum Beispiel in Cremona an die Skulpturen von Philipp Liehr denken und mich fragen, wie er diesen oder jenen Passanten in seiner Eigenheit wohl erfasst hätte.
Diese kleine Ausstellung zeigt, welches Potential hier im Haus vorhanden ist. Im besten Fall wird sich das Künstlerhaus durch eine Mischung von Beharrlichkeit und Wandel auszeichnen. Kontinuität ist für die Entwicklung eines Standorts unerlässlich. Das betrifft in diesem Fall vor allem die finanzielle Absicherung, ohne die man keine langfristigen Ziele entwickeln kann. Ehrenamtliches Engagement ist wichtig, kann allein aber viele Aufgaben unserer Gesellschaft nicht bewältigen. Das muss einfach mal so klar gesagt werden. Merkwürdigerweise erwartet man von vielen Berufen und dazu gehören vor allem Künstler, Musiker, Schriftsteller oder auch Geisteswissenschaftler, Berufe, die sich allesamt in ungewöhnlich hohem Maß mit ihrer Tätigkeit identifizieren, immer mehr Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ehrenamt ist nur möglich, wenn die Existenz gesichert ist. Ich glaube, das vergisst man manchmal in der Kunst- und Kulturpolitik. Ich bin Kunsthistorikerin: Was von vergangenen Epochen bleibt, sind die wissenschaftlich-technischen Errungenschaften und die Musik, die Literatur, Gemälde, Skulpturen - die Kunst eben.
Künstlerhäuser gibt es seit dem 19. Jahrhundert, sie können unterschiedlich organisiert sein. Oft handelt es sich um eine Gemeinschaft von Künstlern, die ein gemeinsames Haus mit Werk- und vielleicht sogar Wohnräumen bewirtschaften. So etwas kann genossenschaftlich oder privat organisiert sein. Hier in Halle mieten diverse Künstler und Vereine einfach Räume in einem Haus, das von einem Verein betrieben wird. Manche Künstler bleiben vielleicht ein Leben lang, andere vielleicht nur einige Jahre, dann kommen neue Mieter.
Das kann für alle Beteiligten anregend sein, denn die hier gemachten Erfahrungen nimmt man dann ja auch mit in eine andere Stadt. Im besten Fall wird das Haus mit seinen Werkstätten und dem Ausstellungsraum ein Treffpunkt, ein Zentrum des Austauschs. Voraussetzungen dafür sind gegenseitiger Respekt und eine durchaus kritische, aber immer positive Kommunikation miteinander. Wenn man souverän in seiner eigenen Arbeit ist, hat man keine Angst vor Konkurrenz, sondern erkennt die Chancen des Miteinanderarbeitens.
Künstler arbeiten in der Regel als Einzelkämpfer. Das kann durchaus zu Motivationsproblemen bis hin zum Infragestellen des Sinns dieser Tätigkeit als Ganzes kommen. Wenn man in eine Werkstatt geht, wo man in den Nachbarräumen Kolleginnen und Kollegen trifft, die ebenso wie man selbst mit Formen und Farben oder schlimmer mit der problematischen Auftragslage ringen, erkennt man, dass es kein persönliches Problem ist, sondern ein gesellschaftliches, dem man sich mit seiner Arbeit stellen muss. Man kann sich austauschen, intellektuell oder eben auch ganz praktisch. Kollegiales Miteinander ist immer motivierend. Und man kann zusammenarbeiten: Bildende Künstler mit Schriftstellern und Musikern, auf diese Weise Ideen entwickeln, auf die man – wenn man ehrlich ist – alleine nicht gekommen wäre.
Und auch unter verkaufstaktischen Gesichtspunkten ist es besser, nicht einsam in der eigenen Werkstatt zu arbeiten. Wenn sich Interessenten und potentielle Käufer auf den Weg machen – am Tag der offenen Ateliertür oder zu speziellen Märkten (Weihnachten!) – geht man eher dahin, wo man eine größere Auswahl hat, wo man sich umsehen kann und nicht dieses beklemmende Gefühl hat, weil man einmal in dieser Werkstatt steht, zumeist unter persönlicher Beobachtung des Besitzers, jetzt etwas kaufen zu müssen. Manche Dinge brauchen Zeit.
Ich bin davon überzeugt, dass Künstlerhäuser, -genossenschaften, -siedlungen, was auch immer, für ihre Bewohner sinnvoll sind. In Halle beherbergt das Künstlerhaus nicht nur bildende Künstler, sondern auch Schriftsteller - im Förderkreis der Schriftsteller Sachsen-Anhalts e.V. sind 60 Mitglieder aktiv - und Musiker: die Singschule Halle e.V. sowie den Musiker Hannes Scheffler, von dem Sie hier Kompositionen für Tanztheaterstücke an den Audiostationen hören können.
Dazu kommt ein äußerst wichtiges Projekt des Trägervereins Künstlerhaus e.V.: Die mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte berufsbegleitende Qualifizierung zum „Gestalter im Handwerk“ durch Dozenten, die an der Burg Giebichenstein in Halle Kunst und Design studiert haben. Diese Ausbildung trifft tatsächlich einen Nerv unserer Zeit und vernetzt die Stadt deutschlandweit ein weiteres Mal. Denn die Qualifizierung, an der auch die Handwerkskammer beteiligt ist, widmet sich einem Thema von großer Brisanz in ganz Europa: Die Stellung des Handwerkers/Kunsthandwerkers/Gestalters in der globalisierten Welt. Es geht hier nicht um die Förderung eines kreativen Hobbys, es geht tatsächlich um einen Wirtschaftsfaktor. Ich glaube, dass manche Zweifler noch nicht das Potential dieser Ausbildung erkannt haben, ganz einfach weil sie sich nicht mit dem Thema in seiner ganzen Breite auseinandersetzen. Es ist eine spezifische Ausbildung, die ihren eigenen Standort benötigt, eine Ausbildung, die explizit Handwerk und Kunst, besser gesagt: Gestaltung, verbindet und deshalb nicht einfach Anhängsel einer Handwerkskammer oder einer Kunsthochschule sein kann. Das wird den Bedürfnissen der Teilnehmer nicht gerecht, denn es geht ja nicht darum, in einem „Grundkurs“ so eine Art „Bachelor-Künstler“ auszubilden. Wenn ich erlebe, wie die Absolventen der ersten zwei Kurse in dieser Ausbildung im übertragenen Sinn gewachsen sind und wie begeistert die Teilnehmer des dritten Kurses hier nach einer vollen Arbeitswoche anreisen, um weiterzuarbeiten, dann weiß ich, was hier geleistet wird.
Daneben entwickelt sich das vom Verein Künstlerhaus frei angebotene Kursprogramm erfreulich und so kommt das 188, eine Institution, die Höhen und Tiefen erlebt hat, allmählich ins richtige Fahrwasser und könnte Fahrt aufnehmen. Es braucht aber nicht nur ein Ziel, sondern auch sichere Unterstützung und verlässliche Partner. Mir scheint, dass nach all den Standortproblemen diese Ausstellung heute, die mit wenigen Objekten auf eine Vielzahl von Aktivitäten verweist, doch berechtigte Hoffnung aufkommen lässt. Die Ausstellung ist eine Art der Kommunikation, die mal nicht die Probleme, sondern den Erfolg, das Erreichte betont. Vielleicht ist das auch der Moment, um einfach mal ganz kurz und ohne Namen zu nennen, den Vereinsmitgliedern, die sich seit Jahren für das Haus und seine Projekte oft ehrenamtlich engagieren, für ihren Enthusiasmus und Durchhaltewillen zu danken. Bildung - und nichts anderes sind Kunst & Kultur - wurde und wird immer gefördert werden müssen. Dass sich im Hallenser Künstlerhaus nicht nur Künstler untereinander begegnen, sondern interessierte Laien und Künstler, halte ich für einen zusätzlichen Gewinn. An Kunst Interessierte besuchen Museen und Galerien, sie kaufen Eintrittskarten für Konzerte und Theateraufführungen, sie kaufen Bücher und Kataloge, vielleicht kaufen sie auch Kunst, sie besuchen Vorträge und Lesungen, buchen die Teilnahme an Kursen und Workshops oder gestalten mit Chören und Orchestern gesellschaftliche Höhepunkte. (So ist die Singschule Halle hier im 188 beheimatet.) Sie gründen Kunstvereine (wie der Hallesche Kunstverein, eine Vereinigung von Künstlern und Kunstinteressierten, der 1990 gegründet wurde und ebenfalls im Haus seinen Sitz hat), in denen sie sich selbst für die Kunst engagieren und so als Kunstförderer agieren. Sie entwickeln nicht nur ihr Verständnis für Kunst weiter, sondern sie fördern ganz allgemein das Interesse und die Begeisterung dafür.
Nur so entwickelt sich eine Stadt, die sich ganz ausdrücklich nicht nur über ihre Geschichte, ihre Universität, sondern explizit auch über ihre Kunst präsentiert.